Der Frühling ist nun endgültig da – man kann wieder zur Mucke radeln – quer durch Leipzig und doch sind es nur um die acht Kilometer.
Der Anker schließt. Er ist marode und muss für über 3 Mio saniert werden. Angeblich besteht die Gefahr, dass einem Dachbalken auf den Kopf fallen. Ende des Jahres soll der Saal wieder öffnen. Die Küche reicht Fettbemmen und mit Ei belegte Brote. Ich überlege noch, ob ich bei Jan Böhmermann heute Abend im Werk 2 doch besser aufgehoben gewesen wäre – aber wie sich herausstellen wird, habe ich alles richtig gemacht!
Zum großen Finale hat man sich eine Legende eingeladen. Auf die Bühne kommt ein etwas klapprig wirkender Herr – er ist vor einem Vierteljahr 80 geworden (deshalb auch der Tour-Titel). Was dann aber in den nächsten zwei Stunden passiert kommt einer Metamorphose gleich. Er spielt, erzählt, hüpft, headbangt mit einer Vitalität die mehr als erstaunlich ist. Im März und April spielt er knapp fünfzig Auftritte in ganz Europa.

Ticket - John Mayall im Anker zu Leipzig

Ticket – John Mayall im Anker zu Leipzig


John Mayall ist der Chef auf der Bühne. Er spielt Keyboard, Gitarre und Mundharmonika – fast ohne Pause. Begleitet wird er von zwei Gitarristen. Mich wundert immer wieder, welche Dynamik manche beleibte ältere Herren an der Gitarre entwickeln können, wenn sie einmal los gelassen werden – Rocky Athas heißt ein mehr als überzeugender Vertreter dieser Gattung Musiker. Das andere Extrem ist der Bassist Greg Rzab – sehr zurückhaltend in seinem Spiel, stets smart lächelnd – aber er weiß, was er drauf hat und wartet auf seine Momente, die er dann auch ausgiebig auskostet. Power geht vom Schlagzeuger Jay Davenport aus. Wie eine alte Lock stampft er durch die klassischen Blues-Rhythmen. Kleiner Höhepunkt ist, als John Mayall seinen Neffen mit Saxophon auf die Bühne bittet. Er bringt den Shuffel nochmal richtig auf Touren – leider nur für diesen einen Song. Ich komme so nach ca. 60 Minuten in dieses typische Konzertfeeling. Der Körper bewegt sich von alleine,
alle anderen Gedanken verschwinden – man taucht so richtig ein in die Bassläufe und Gitarrensoli – es könnte dann ewig so weitergehen.
Greg Rzab, Jay Davenport, John Mayall, Rocky Athas (v.l.n.r)

Greg Rzab, Jay Davenport, John Mayall, Rocky Athas (v.l.n.r)


Aber viel zu schnell kommt die Zugabe – diese mal nur eine einzige – aber die Band hat alles gegeben. Ich schaue mich noch etwas im Anker um – das Haus hat in 140 Jahren viel erlebt – vieles ist mit Aushängen gut dokumentiert. Dann radle ich gut duchgeschwitzt und fröhlich nach Hause.