Andreas Altmann - Andreas Altmann - Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend

Andreas Altmann – Andreas Altmann – Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend


Dieses Buch habe ich mir zum Geburtstag von meinen Eltern gewünscht. Vielleicht keine ganz so gute Idee – Papa hatte gewisse Probleme, das gewünschte Werk der Buchhändlerin zu buchstabieren. Im nachhinein habe ich mir den Dialog der beiden vorgestellt und musste doch ein wenig schmunzeln. Aber auf der anderen Seite war das genau der richtige „Bestellworkflow“. Immerhin handelt es sich bei der beschriebenen Generation um die Generation meiner Eltern und auch da sind gewisse Themen sicher verdrängt worden. Das Interesse dieses „Grundlagenwerk zur Erziehung der Kinder“ zu lesen besteht jedenfalls auch auf der Seite meiner Eltern – obwohl ich schon den Eindruck habe, dass da Dinge beschrieben werden, die sich sonst niemand traut zu sagen. Aber macht nicht genau das gute Literatur aus?? Und wie schwer ist es, solche Dinge zu finden und zu beschreiben, ohne dass es peinlich wirkt.
Ja, so wie der Andreas Altmann müsste man schreiben können. Grundlagenwerk zur Erziehung von Kindern ist vielleicht zu weit hergeholt – aber es geht halt um eine extreme Variante der Erziehung, die besonders im Nachkriegs-(West-)Deutschland und vor allem in dem miefigen Kaff Altötting gepflegt wurde. Er beschreibt hier seine eigene Kindheit und wie er aus eigener Kraft vom Opfer zum freien Menschen wird. Irgendwie haben wir doch alle diesen Prozess durch. Wenn auch nicht in dieser Extremität. Für mich war es absolut ergreifend, welche Ideen er entwickelt, welche Wege er sucht, welche Allianzen er gründet und mit welcher Beharrlichkeit er um seine eigenen Ziele kämpft. Ja fast scheint es so, dass das schwierigste im Leben das Definieren der richtigen Ziele ist.
Mit 17/18 schafft er es, sich aus einer für ihn mehr als ungünstigen, ja existentiell bedrohenden Umgebung zu befreien – ebenso lange dauert es, bis er sein eigentliches Lebensziel definieren und verwirklichen kann und er zum reisenden Schreiberling wird. Er nennt das „Reporter“ – einer der zurückträgt, was er erlebt.
Fast zwangsläufig vergleicht man die beschriebenen Situationen und Erziehungsmaßnahmen mit den eigenen Verhältnissen und vor allem den Erziehungsmethoden unter denen die eigenen Kinder aufwachsen. Die Wohlstandsverwahrlosung ist ein reelles Problem und dagegen anzukämpfen ist ebenso wichtig wie zu vermeiden, dass man die eigenen Kinder schlägt. Das ist das Fazit, welches ich aus diesem Buch ziehe.
Gern hätte ich meine Gedanken mit ihm geteilt – aber seine Kontakt-Seite hat mich doch davon abgehalten. Diese Seite ist so bemerkenswert, dass ich sie hier zitieren möchte:
Zitat von Kontaktseite Andreas Altmann:

Ein paar Bemerkungen zu der Kontaktadresse: Bitte schicken Sie keine Texte. Auch keine, die davon berichten, wie Sie bei minus 24 Grad, ohne Sonnenbrille und nur auf einem Bein vom Nordpol zum Südpol gehüpft sind. Immer in Begleitung Ihrer zwei Lieblingsesel. Denn ich habe inzwischen die Erfahrung gemacht, dass jeder Einsender nur darauf wartet, zum Reporter-Genie des 21. Jahrhunderts ausgerufen zu werden. Das geht nicht, so viele Genies haben wir nicht.
Bitte auch keine Bücher schicken, auch keine Fotos von Lesungen, rein gar nichts, auch keine Fragen. Ich verspreche gleich hoch und heilig, sie NICHT zu beantworten. Das Bisschen, das ich weiß, steht in meinen Büchern. Also: Nichts schicken, denn mein ungeheuer bescheidenes Ziel ist es doch: jeden Tag weniger zu besitzen. Klar, bewegende Gedanken und Hintergedanken, himmlische Wörter, die schon mailen. Die nehme ich gern. Von jedem, der sie verschenken will. Auch Einladungen zu stundenlangen Rückenmassagen, auch Gutscheine für Übernachtungen in eleganten Hotels, ja Dinners in Weltstädten. Nur her damit. Auch kleine Geschenke nach Lesungen (die Rittersport-Schokoladen-Diät ist VORBEI, jetzt bitte eine Banane oder ein Joghurt oder Weintrauben), Gegenstände eben, die meinen Körper am nächsten Tag wieder geschmeidig verlassen: Ich sage mit Dankbarkeit Ja! Noch einmal hundert Mal JA, wenn es bei einer Mail bleibt, in der jemand seine Gedanken und/oder sein Vergnügen (beim Lesen meiner Bücher) ausdrückt. Bitte hinterher nicht auf die bahnbrechende Mailkorrespondenz spekulieren. Sie wird nicht stattfinden. Denn ich werde bereits geschunden und gejagt wie eine freilaufende Hyäne.
Ich will versuchen, auf jede der zahlreichen Mails zu antworten, die freundlich ist und ohne Häme auskommt. Denn wer auf Erden würde sich nicht über das Amüsement der LeserInnen über seine Arbeit freuen. Auch Hinweise auf (Druck-)Fehler sind willkommen. Wer das nicht schafft, eben alle notorisch Beleidigten, die gern und ausgiebig auf meine Bücher spucken, bitte: Don’t write! Bedenken Sie, wie jämmerlich Sie als virtueller Maulheld wirken. Drängt es Sie tatsächlich, loszuprusten, dann kommen Sie zu einer Lesung, stehen hinterher auf und machen Ihrem geschundenen Herzen Luft. Das hat Format, das bringt Glanz in Ihr Leben.