Nehmen wir es vorweg. Ich habe die letzten Jahre sowohl Bob Dylan als auch Neil Young sehr oft live gesehen und dabei viele sehr schöne Abende erlebt. Leider geht in letzter Zeit die Schere bei den beiden Meistern etwas auseinander. Dylan spielte am 03.07.2014 in Zwickau und wirkt leider von Jahr zu Jahr immer klappriger.

03.07.2014 BobDylan in Zwickau

03.07.2014 BobDylan in ZwickauNN


Neil Young war am 26.07.2014 in Dresden an den Elbwiesen und er machte einen absolut fitten und vitalen Eindruck.
26.07.2014 - Neil Young in Dresden

26.07.2014 – Neil Young in Dresde


Klar, Dylan ist schon 73, Young „nur“ 68 – aber trotzdem wirkte Bob, der eine Meister, ein wenig überspielt. Die Hand macht Sorgen – es reicht nicht mehr zum Gitarre spielen. Was mich aber am meisten stört ist, dass er alle seine Songs nach dem gleichen Schema darbietet. Er scheint sich nicht um die geheimen Wünsche des treuen Publikums zu scheren – er zieht eben sein Ding durch.
Ganz anders bei Neil Young. Er spielt am Ufer der Elbe und hat extra für diesen Abend als Opener „Down by the River“ ausgewählt und jamt und rockt diesen Titel knappe 30(!) Minuten. Er bietet in diesem Stück alles was man als Fan so mag. Keiner verzerrt die Gitarre so gekonnt wie Neil Young. Es geht ein wahres Gewitter über das Publikum nieder. Das Soll für so ein Konzert ist bereits nach dem ersten Titel erfüllt – aber wir bleiben natürlich bis zum Ende. Zumal wir zu diesem Zeitpunkt schon drei Stunden in den Knochen haben, um vorn in der Mitte stehen zu können.
Als zweites spielt Neil Young den für mich perfekten Opener Powderfinger. So ging es schon letztes Jahr in Berlin (Waldbühne) los. Dieser Song elektrisiert ab dem ersten Akkord. Andere heben sich sowas für die Zugabe auf. Neil Young könnte den ganzen Abend solche Kracher spielen.
Wegen des langen ersten Songs wird wahrscheinlich der akustische Teil des Konzerts etwas gekürzt. Es gibt „nur“ Blowing in the wind und  Heart of Gold. Aber auch hier zeigen sich wieder die Unterschiede zum anderen alten Meister. Während Bob „sein“ Blowing in the Wind in exakt dem selben Stil wie die restlichen Songs spielt (also verfremdet auf 20er/30er Jahre Art) entwickelt Young den Song tatsächlich weiter. Wenn ein knapp 70 Jahre alter Mann Blowing in the Wind und Heart of Gold singt, kann das durchaus etwas albern wirken – nicht so bei Neil Young. Ihm nimmt man diese Songs ab – er spielt sie mit Einsatz und Überzeugung.
Er hat ein Thema, welches den gesamten Abend durchzieht. Am Eingang bekommt jeder Gast ein schwarzes T-Shirt. Bei den Männern steht „Earth“ drauf – bei den Frauen „protect“ – Young preist das T-Shirt während des Konzerts als „Geschenk“ – als Gegenleistung erwartet er, dass jeder „seinen Teil beiträgt“ – er redet mit dem Publikum und hat sichtlich Spaß – besonders bei den langen Jams. Er hat auch deutlich abgenommen und wirkt so, als ob wir noch lange nicht sein letztes Konzert erlebt haben. Dylan redet kaum drei Worte und macht eher einen griesgrämigen Eindruck – ich glaube er braucht mal eine Pause. Trotzdem werden wir wohl auch das nächste Mal wieder hingehen – er ist halt DIE Legende. Leider versteht man seine Texte wenig. Höhepunkt in Zwickau war für mich ein Bob-Dylan-Double, der vor der Stadthalle stand und noch eine Stunde nach Ende des Konzerts, den klassischen Dylan vor einem wachsenden Publikum gab – da merkte man, wie ausgehungert das Publikum nach dem Dylan der 60er und 70er Jahre war.
Neil Young stattdessen hat sich offensichtlich genau überlegt, was hier in Dresden zieht. Songs von der Mirror Ball CD waren genau so dabei, wie der Soundtrack zur politischen Wende im Osten Rocking in a free world.
Auf der Albertbrücke standen Dutzende Menschen und verfolgten das Konzert aus mindestens 300m Entfernung. Neil Young hatte auch für diese Fans einen Gruß und ein paar Worte. Das Areal war mit ca. 12.000 Plätzen etwas klein – wir hatten um die 30 Grad – aber die Dresdner Silhouette ist schon stark für so einen Abend. Ich war froh, dass Dylan in Zwickau und Young in Dresden gespielt hat. Ich drücke Bob die Daumen, dass ich auch noch einmal so euphorisch über ihn schreiben kann, wie ich es nach seinem Konzert in Cottbus oder vor Jahren auf der Peißnitz-Insel in Halle, oder unvergessen in Glauchau oder das letzte Mal in der Jungen Garde getan hätte. Und ich hoffe, dass Neil Young auch nächstes Jahr in der 500 Meilen Zone auftaucht.
Hier noch die Setlist vom Abend in Dresden:
01. Down By The River
02. Powderfinger
03. Standing In The Light Of Love
04. Days That Used To Be
05. Living With War
06. Love To Burn
07. Name Of Love
08. Blowin‘ In The Wind
09. Heart Of Gold
10. Barstool Blues
11. Psychedelic Pill
12. Rockin‘ In The Free World
13. Who’s Gonna Stand Up And Save The World